Geschichte des Instituts

1848 wurde das 1. Chemische Institut unter der Leitung von Josef Redtenbacher gegründet – zunächst noch im Theresianum beheimatet, wurde es ab 1872 in der Währingerstraße 10 untergebracht. Redtenbacher modernisierte den Chemieunterricht und beschäftigte sich in seiner Forschungsarbeit vor allem mit der Analyse von Pflanzeninhaltsstoffen. Nachfolger Redtenbachers wurde Franz Coelestin Schneider, der die forensische Toxikologie in Österreich begründete. Ab 1876 wurde Ludwig Barth zu Bartenau Leiter des 1. Chemischen Instituts. Ein Beispiel für Barths Forschung ist die Bestimmung der Struktur der Aminosäure Tyrosin, die er als hydroxyliertes Phenylalanin erkannte.

 

1870 wurde das 2. Chemische Institut gegründet. Als erster Institutsvorstand wurde Friedrich Rochleder berufen, der die Organische Synthese und besonders die Naturstoffchemie als zentrale Forschungsschwerpunkte an der Universität Wien installierte. 1875 begann die lange Ära von Adolf Lieben am 2. Chemischen Institut, die über 30 Jahre andauern sollte. In dieser Zeit verstand es Lieben eine neue Schule der Organischen Chemie in Wien zu etablieren, wobei seine zahlreichen Doktoranten einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung dieses Fachbereichs ausüben sollten. Er stand in intensivem Austausch mit internationalen Kollegen – er war was man heute wohl als Networker bezeichnen würde – und gründete 1880 zusammen mit Ludwig Barth zu Bartenau die Fachzeitschrift Monatshefte für Chemie, die bis heute existiert. Unter seiner Leitung promovierte 1902 mit Margarethe Furcht die erste Frau im Fach Chemie an der Universität Wien. Bekannte Beispiele aus Liebens Forschung sind die nach ihm benannte Iodoformreaktion oder wichtige erste Arbeiten zur Aldehydkondensation. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Carl Auer von Welsbach am 2. Chemischen Institut neue Trennverfahren für seltene Erden und verbesserte die Verfahren zur Gasbeleuchtung wesentlich.

 

Für wenige Jahrzehnte existierte auch ein 3. Chemisches Institut, das zunächst in den Räumlichkeiten der Handelsakademie am Karlsplatz, später in Gebäuden der alten Universität in der Bäckerstraße untergebracht war. Erster Leiter dieses Instituts wurde 1871 Ernst Ludwig. Ihm folgte Eduard Lippmann, der sich vor allem mit Anthracenderivaten beschäftigte. 1909 wurde das 3. Chemische Institut wieder aufgelöst und in das 2. Chemische Institut integriert. Schon im selben Jahr wurde mit dem Bau des neuen Chemiegebäudes in der Währingerstraße 38–42 begonnen; die Fertigstellung erfolgte aber erst im Jahre 1918. Nachfolger von Ludwig Barth zu Bartenau am 1. Chemischen Institut wurde Hugo Weidel, der vor allem durch seine Arbeit zur Isolierung von Pyridinen aus Teer bekannt wurde. Nach dessen Tod folgte Josef Herzig als provisorischer Leiter des Instituts. Er übernahm im Jahr 1913 den Lehrstuhl am neu gegründeten Institut für Pharmazeutische Chemie. 1902 wurde Rudolf Wegscheider zum Vorstand des 1. Chemischen Instituts ernannt. Wegscheider gilt als einer der Begründer der physikalischen Chemie in Österreich und entwickelte bedeutende Theorien zur Reaktionskinetik. Der Polymerchemiker Hermann Mark wurde 1932 Direktor des Instituts, war aber 1938, nachdem er von der Gestapo verhaftet und verhört wurde, wie viele andere die Universität Wien verlassen.

 

Am 2. Chemischen Institut wurde 1906 Zdenko Hans Skraup, der sich zu diesem Zeitpunkt schon einen Namen durch die Erforschung der Chinarindenalkaloide gemacht, Nachfolger von Adolf Lieben. Seine Ära dauerte leider durch seinen frühen Tod nur bis zum Jahre 1911. Die Leitung wurde anschließend von Guido Goldschmiedt übernommen, der die Arbeiten auf dem Gebiet der Alkaloide weiterführte. 1916 wurde Wilhelm Schlenk, einer der bedeutendsten Begründer der metallorganischen Chemie, auf den Lehrstuhl des 2. Chemischen Instituts berufen. Nachdem Schlenk an die Universität Berlin gewechselt war übernahm Adolf Franke für drei Jahre provisorisch die Leitung, bevor Ernst Späth 1924 als Institutsvorstand eingesetzt wurde. Er arbeitete an der Erforschung der Alkaloide, besonders der Tabakalkaloide und entwickelte unter anderem die erste Synthese des Mescalins. Ernst Späth war von 1937–1938 Rektor der Universität Wien und ab 1945 Präsident der Akademie der Wissenschaften. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Friedrich Wessely Leiter des 2. Chemischen Instituts. Während Wessely sich mit der Chemie metallorganischer Verbindungen beschäftigte wurde die Erforschung von Naturstoffen von Friedrich Galinovsky weitergeführt. Aufgrund der Rohstoffknappheit wurde zur selben Zeit eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Karl Kratzl mit der Erforschung der Verwertbarkeit von Holzaufschlüssen betraut.

 

1959 erfolgte die Gründung der unterschiedlichen chemischen Institute, so auch die des Organisch-Chemischen Instituts. 1967 wurde Ulrich Schmid zum Ordinarius berufen. Sein Forschungsschwerpunkt lag im Bereich der Aminosäurensynthese und der Peptidchemie. 1971 folgte Karl Schlögl als Institutsvorstand, der sich vor allem mit unterschiedlichen Fragestellungen zur Stereochemie beschäftigte. Erich Zbiral arbeitete unterdessen an Kohlenhydrat-Derivaten, Vitamin D3-Analoga und phosphororganischen Verbindungen. 1996 übernahmen Johann Mulzer und Udo Brinker die Professuren für Organische Chemie. Während Johann Mulzer die Totalsynthese von zahlreichen Naturstoffen realisieren konnte und wichtige Synthesemethoden weiterentwickelte, forschte die Gruppe um Udo Brinker an Anwendungen hochreaktiver Syntheseintermediate, besonders der Carbene. Mit Walther Schmid wurde 2004 ein weiterer Professor an das Institut berufen. Seine Forschung war vor allem von neuen Methoden im Bereich der Kohlenhydrate geprägt. Seit 2013 erforscht Nuno Maulide mit seiner Gruppe unter anderem neue Synthesemethoden basierend auf Umlagerungs- und Umpolungsreaktionen, die Totalsynthesen komplexer Naturstoffe und mögliche Einsatzgebiete organischer Moleküle im Kontext der biologischen und medizinischen Forschung. Seit 2020 hält Davide Bonifazi eine Professur am Institut für Organische Chemie, wo er mit seiner Arbeitsgruppe an organischen Materialien und neuen Aspekten der supramolekularen Chemie forscht. Mit dem Institut für Biologische Chemie (2011) und dem Institut für Chemische Katalyse (2014) wurden zwei weitere Lehr- und Forschungseinrichtungen gegründet, die teilweise aus dem Bestand des Instituts für Organische Chemie hervorgingen.

Literatur:

R. Rosner und R.W. Soukup, Die chemischen Institute der Universität Wien

aus Reflexive Innensichten aus der Universität: Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Vandenhoeck und Ruprecht, 2015.